Sprachkritik als Aufklärung
Die Göttinger Deutsche Gesellschaft im 18. Jahrhundert
16.4.2004 - 21.5.2004
Foyer der Zentralbibliothek der SUB Göttingen
Die weltweite Bedeutung des Deutschen als einer – zeitweise vielleicht sogar der – führenden Wissenschaftssprache ist in schnellem Schwinden begriffen. Mancher mag diese Entwicklung sogar begrüßen, bietet sie doch eine nicht zu unterschätzende Grundlage des weltweit vernetzten kooperativen wissenschaftlichen Arbeitens, das in vielen Fachbereichen sicher zukunftsweisende Bedeutung hat. In einer derartigen Zeit des Umbruchs ist es aber von besonderem Interesse, dem Werdegang des Deutschen als einer auch wissenschaftlich relevanten Hochsprache nachzugehen.
In der Ausstellung „Sprachkritik als Aufklärung“ geschieht dies auf der Grundlage der Aufarbeitung der Geschichte der „Deutschen Gesellschaft“ in Göttingen. Die Ausstellung leistet damit auch einen Beitrag zur Diskussion, was Sprachkritik sein und leisten kann. Zugleich arbeitet sie ein weiteres Kapitel der historischen Leistungen Göttinger Wissenschaftler auf.
Im Zentrum der Ausstellung steht die „Deutsche Gesellschaft“ in Göttingen (1738 - 1792), eine halboffizielle, der Universität nur zugeordnete Vereinigung von Sprachinteressierten, Sprachgelehrten und Sprachpatrioten, die in geselliger Form praktische Sprachkritik betrieben und damit durch Produktion, Rezeption und Bewertung von Texten unterschiedlicher Art (Poesie, Prosa, Reden, Übersetzungen, Briefe, Erörterungen usw.) neue Sprachmöglichkeiten erschlossen und für den öffentlichen Gebrauch (z. B. in Publikationen, Zeitschriften, Rezensionen, Korrespondenzen) aufbereiteten. Diese Seminare hielt die „Deutsche Gesellschaft“ in eigens angemieteten Räumlichkeiten über der Universitätsapotheke am Markt ab. Hier befand sich auch die Bibliothek der Gesellschaft, deren Bestand sich noch heute der Forschungsbibliothek der SUB Göttingen finden lässt.
Vorbild für die Göttinger Sozietät, der neben ordentlichen Mitgliedern (zunächst Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen) zahlreiche „gestandene“, d. h. beruflich und sozial erfolgreiche Ehrenmitglieder angehörten, war die von Johann Christoph Gottsched 1727 in Leipzig neu gegründete „Deutsche Gesellschaft“. Und beide bildeten wiederum nur einen Teil eines ganzen Netzes ähnlich verfasster Deutscher Gesellschaften, das sich vor allem über den protestantischen Norden Deutschlands spannte, aber auch die Mitte (z. B. Gießen, Mannheim, Altdorf bei Nürnberg) und den Süden des deutschsprachigen Gebiets (Schweiz, Österreich, Böhmen) miterfasste.
Ziel der Ausstellung ist die Darstellung dieser Sprachkulturarbeit unter den besonderen Bedingungen des 18. Jahrhunderts. Dazu werden, soweit das im Rahmen der Ausstellung möglich ist, ihre Hintergründe ausgeleuchtet und einige Konsequenzen sichtbar gemacht, die auch für die sprachpolitische Diskussion heute nicht unwichtig sind. Ausgestellt sind Handschriften, Urkunden und Dokumente der „Deutschen Gesellschaft“ in Göttingen und zahlreiche „Schlüsselwerke“ der historischen Sprachwissenschaft.
Aus der historischen Distanz soll Reflexion auch über die heutigen Erscheinungsformen von Sprachkritik und deren Perspektiven erwachsen.