Auf Gutenbergs Spuren
Handpressendrucke der Aldus-Presse Reicheneck
26.3.2006 - 7.5.2006
Historischer Saal der Paulinerkirche
Handpressendrucke bieten Buchkunst ihrer Zeit. Sie wollen vor allem Freunde schöner Bücher ansprechen, die Text und Bild, Schrift und Papier, Handsatz und Einband zu schätzen wissen. Eine Handpresse ist also kein Verlag, der den Markt mit Büchern erobern will. Der Pressendrucker wählt seine Texte eher danach aus, was ihm selber wichtig ist, gedruckt zu sehen, was er seinen Freunden vor Augen führen möchte, oder auch, womit er Freunde ehren will. Dabei muss der Druck für ihn auch machbar sein; denn er ist auf handwerkliche Techniken, wie den Bleisatz, angewiesen, welche die gewerblichen Drucker längst als unwirtschaftlich abgelegt haben. Dabei entstehen oft bibliophile Kostbarkeiten, die Ausdruck des Gestaltungswillens des Buchkünstlers sind, und mit denen er seine privaten Zeichen setzen will. Dabei erlebt er selber seine Arbeit als kreative Bereicherung. Das ist auch bei dem Reutlinger Pressendrucker Arno Piechorowski in der Ausstellung „Auf Gutenbergs Spuren – Handpressendrucke der Aldus-Presse Reicheneck“ zu beobachten, die in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen gezeigt wird. Hier werden alle 111 Ausgaben dieser Handpresse als Beispiele des zeitgenössischen Handpressendrucks präsentiert.
Die Arbeiten entstanden seit 1980, oft als Prachtausgaben, „editions de luxe“, die als genuine Handpressendrucke den Liebhabern schöner Bücher als besonders aufwendige Handdrucke, reich illustriert und in kostbaren Einbänden, vorgelegt wurden und so wohl nur von Hand entstehen konnten. Den Ausgaben liegen besondere Texte zu Grunde, wie etwa „Das Lied der Lieder, das man dem König Salomo zuschreibt, übertragen von Manfred Hausmann“, oder „Heimkehr zu Penelope. Aus Homers Odyssee nach dem Text des Kriegsgefangenenlagers 437“ von Heinz Schwitzke: Odysseus der Heimkehrer! Daneben entstanden Mappenwerke mit großformatigen Lesebildern, die für die Wand bestimmt sind, wie die Kassette mit den sechs Heine-Liedern aus Franz Schuberts „Schwanengesang“. Eine weitere Gruppe von Werken, die auf der Aldus-Presse Reicheneck entstanden, sind die zweisprachigen Ausgaben mit Texten großer Autoren. Die Breite der literarischen Interessen des Pressendruckers zeigt sich auch in der Reihe der Bibliophilen Hefte, die bei geringem Umfang flexibel geheftet sind.
Neben den Werken der Aldus-Presse Reicheneck selbst zeigt die Ausstellung auch die berühmtesten Bücher der beiden Drucker, denen sich Arno Piechorowski verpflichtet fühlt: Das Göttinger Exemplar der Gutenberg-Bibel, eines von weltweit vier vollständig erhaltenen Pergamentexemplaren, ist ebenso zu sehen wie die „Hypnerotomachia Poliphili“ aus der Werkstatt des italienischen Buchdruckers Aldus Manutius (1449 - 1515), das wohl schönste Buch der Renaissance.