Das Göttinger Nobelpreiswunder
100 Jahre Nobelpreis
28.6.2002 - 27.10.2002
Historischer Saal der Paulinerkirche
Hahns Versuchsaufbau zur Kernspaltung und Max Plancks Bergsteiger-Ausrüstung
Der Name der Stadt Göttingen ist – sieht man einmal von Stockholm ab – wie kaum ein anderer in Europa mit dem Nobelpreis verbunden. Unter den zahlreichen Persönlichkeiten, die in den vergangenen 100 Jahren mit dem wohl bekanntesten Forschungspreis geehrt wurden, befinden sich allein 44 Preisträger, deren Lebensläufe mit der Wissenschaftsstadt Göttingen verknüpft sind. „Das Göttinger Nobelpreiswunder – 100 Jahre Nobelpreis“ lautet der Titel der Ausstellung, mit der die Georg-August-Universität Göttingen und die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen diese besondere Beziehung thematisieren. Neben Informationen zur Geschichte des Nobelpreises sind vom 28. Juni bis 27. Oktober 2002 im Historischen Bibliothekssaal in der Paulinerkirche die Großporträts der Göttinger Nobelpreisträger sowie teils bisher ungezeigte Exponate aus dem Leben und Wirken der Geehrten zu sehen: darunter Otto Hahns Versuchsaufbau zur Kernspaltung (siehe Foto), Max Plancks Bergsteiger-Ausrüstung, Werkmanuskripte von Günter Grass, Werner Heisenbergs Habilitationsurkunde oder Walther Nernsts Mikro-Torsionswaage. Aktuelle Fragestellungen zur Attraktivität des Forschungsstandortes Deutschland sowie zur Nachwuchs- und Exzellenzförderung stehen im Mittelpunkt eines umfangreichen Rahmenprogramms, das den Blick bewusst nicht nur auf die Erfolge der Vergangenheit, sondern auch auf die Herausforderungen der Zukunft richtet.
Der Nobelpreis in der Geschichte
Seit 1901 zeichnet die Stiftung des schwedischen Erfinders und Unternehmers Alfred Nobel weltweit herausragende Leistungen auf den Gebieten der Physik, der Chemie, der Physiologie oder Medizin, der Literatur sowie der Wirtschaftswissenschaften (seit 1968) aus und würdigt darüber hinaus ein besonderes friedensstiftendes Engagement. Dieser Geschichte widmet sich die Ausstellung mit den drei Themenschwerpunkten „Der Nobelpreis und der Erste Weltkrieg“, „Der Nobelpreis zur Zeit des Dritten Reiches“ und „Der Nobelpreis in der Nachkriegszeit“.
Die Göttinger Nobelpreisträger
Unter den in der Ausstellung vorgestellten Nobelpreisträgern, die Göttingens Ruf als wichtiger Wissenschaftsstandort mitbegründet haben, sind bekannte Forscher wie der Immunologe Paul Ehrlich (Medizin, 1908) oder der 1910 ausgezeichnete Chemiker Otto Wallach, aber auch Persönlichkeiten, deren Namen heute kaum geläufig sind: Ludwig Quidde (Frieden, 1927), Rudolf Christoph Eucken (Literatur, 1908) oder Max von Laue (Physik, 1914). Der Physiker und Göttinger Ehrenbürger Max Born, der zwölf Jahre in Göttingen lehrte, 1933 aber als Jude emigrieren musste, fehlt hier ebenso wenig wie seine Doktorandin, die Physikerin Maria Goeppert-Mayer. Darüber hinaus werden Exponate Einblicke in das Schaffen der zur Zeit in Göttingen arbeitenden Preisträger Manfred Eigen (Chemie, 1967) und Erwin Neher (Medizin, 1991) geben. Hier wird beispielsweise Eigens Evolutionsmaschine „Serial Transfer“ und sein Lasermessplatz zu sehen sein. Die Ausstellung zeigt als Beitrag des Instituts für den Wissenschaftlichen Film (IWF) auf einer Großbildleinwand Interviews mit verschiedenen Preisträgern, zum Teil aus den frühen Tagen des Films.
Die Preisträger und die Stadt Göttingen
An vier Multimedia-Computern können Informationen von einer CD-ROM abgerufen werden, die zu der Ausstellung erscheint. Sie bietet die Möglichkeit, auf einer digitalisierten Stadtkarte Göttingens per Mausklick die Forschungsstätten und Wohnhäuser der Wissenschaftler aufzusuchen. Auch in der Stadt Göttingen selbst begegnet man auf Schritt und Tritt den großen Namen: An den Hauswänden sind Gedenktafeln angebracht, die auf einst dort lebende Wissenschaftler hinweisen. Nicht weniger als 18 Straßen sind nach Nobelpreisträgern benannt.
Das Rahmenprogramm
Parallel zur Ausstellung wird eine Vortragsreihe zum Thema Nobelpreis angeboten, an der auch drei Preisträger als Referenten mitwirken. Unter anderem steht eine Lesung mit dem Schriftsteller Günter Grass (Literatur, 1999) auf dem Veranstaltungsprogramm. Die Vorträge finden sonntags am Ausstellungsort statt. Perspektiven aufzeigen und zukünftige Wissenschaftswelten entwerfen will der im Rahmen der Ausstellung gemeinsam mit dem Göttinger Tageblatt entwickelte Ideen-Wettbewerb „Nobelpreisverdächtig? Forscherinnen und Forscher verändern die Welt“. Mit diesem Projekt werden Schüler angeregt, über ihre Probleme von heute und über Fragen der Welt von morgen nachzudenken, die mit den Mitteln der Wissenschaft und der Forschung gelöst werden können. Das X-Lab Göttinger Experimentallabor für Junge Leute e. V. bietet die Möglichkeit, im Rahmen der Ausstellung einen Versuch nachzuvollziehen, der 1995 zur Verleihung des Nobelpreises für Medizin an Christiane Nüsslein-Vollhard, Edward Lewis und Eric Wieschaus geführt hat.
Die Eröffnung
Eröffnet wurde die Ausstellung „Das Göttinger Nobelpreiswunder – 100 Jahre Nobelpreis“ am Freitag, 28. Juni 2002, um 14:00 Uhr vom Minister für Wissenschaft und Kultur, Thomas Oppermann, und dem Präsidenten der Universität Göttingen, Prof. Dr. Horst Kern. Ein Grußwort sprach Frau Prof. Martha Jansen, Präsidentin der Klosterkammer Hannover. Die Ausstellung wurde besonders aus Mitteln des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds gefördert. Prof. Dr. Fritz Paul (Universität Göttingen), der für die Konzeption des Rahmenprogramms verantwortlich ist, führte mit einem Vortrag in die Thematik ein. Höhepunkt war die Podiumsdiskussion „Spitzenforschung in Deutschland. Ist das Göttinger Nobelpreiswunder wiederholbar?“ An der Gesprächsrunde nahmen Minister Oppermann, Nobelpreisträger Prof. Dr. Manfred Eigen und Prof. Dr. Herbert Jäckle, beide Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (Göttingen), Prof. Dr. Wolfgang Frühwald, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, und Nobelpreisträger Prof. Dr. Bert Sakmann, Max-Planck-Institut für medizinische Forschung (Heidelberg), teil. Die Moderation lag bei Prof. Dr. Horst Kern. Mit den Dankesworten von Prof. Dr. Elmar Mittler, Direktor der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, endete die Eröffnungsveranstaltung.